2023/2016 ︎ Zurück in Wien - Körperadaptierungen im öffentlichen Raum︎ Intervention︎3 großformatige Poster aus einer Serie von 9 Fotografien︎2,4 m x 2,4 m︎Muzeum umění, Olomouc (CZ)





Zurück in Wien - Körperadaptierungen in öffentlichen Räumen


Intervention, Muzeum umění, Olomouc (CZ)
3 großformatige Poster aus einer Serie von 9 Fotografien, 2016/2023
2,4 m x 2,4 m


Das großformatige fotografische Triptychon - entstanden durch die Auswahl der Künstlerin aus einer ursprünglichen Serie von neun Bildern, die Helga Pollak-Kinsky zeigen - bringt die Themen von Pollak-Kinskys turbulentem Leben dem Olmützer Publikum nahe und rückt sie damit auch gedanklich in den Kontext des erweiterten Mitteleuropa. Tinzl hat Pollak-Kinsky in Wien an Orten festgehalten, die für ihr Leben entscheidend waren - sowohl vor ihrer Flucht aus Österreich 1938 in das mährische Kyjov oder der Deportation in das Ghetto Theresienstadt und später nach Auschwitz, als auch nach ihrer Rückkehr in die Stadt 1957.

Gemeinsam mit der Künstlerin begann sie, Orte systematisch wiederaufzusuchen, um ihre eigenen Erinnerungen und tatsächlichen Beziehungen und Verbindungen wiederzubeleben. Inspiriert von VALIE EXPORT’s Fotoserie »Körperkonfigurationen«, die zwischen 1972 und 1976 entstand, reflektierte Tinzl über die Präsenz und Repräsentation des weiblichen Körpers im öffentlichen Raum der Stadt und in der Gesellschaft im Allgemeinen.

Die Arbeit wurde zur Zeit der globalen Pandemie COVID-19 in einer Version für den öffentlichen Raum in Wien präsentiert. Dabei thematisierte Tinzl auch das Problem des Alterns bzw. dessen massive Marginalisierung in der westlichen (post)kapitalistischen Gesellschaft.


Text: Barbora Kundračíková
Photos: © Zdeněk Sodoma
AUSZUG EINES GESPRÄCHS ZWISCHEN
BARBORA KUNDRAČÍKOVÁ UND JOHANNA TINZL


BK: Kannst Du Deine Absichten bei der Zusammenarbeit mit Helga Pollak-Kinsky beschreiben und wie hat sich eure Beziehung entwickelt, als ihr euch persönlicheren Themen näherten?

JT: Ich lernte Helga Pollak-Kinsky 2010 kennen, als ich zusammen mit dem Künstler Stefan Flunger über Friedl Dicker-Brandeis und das Konzentrationslager Theresienstadt recherchierte. Wir begannen, Projekte mit Helga und ihren Freundinnen zu machen, die sich auf ihre außergewöhnlichen Biografien als Holocoust-Überlebende konzentrierten. Helga Pollak-Kinsky (geboren 1930 in Wien) wurde als 8-jähriges Mädchen zur Emigration nach Brünn (CZ) bzw. Kyjov (CZ) gezwungen. Mit ihrem Vater und ihren Verwandten wurde sie im Januar 1943 nach Theresienstadt deportiert. Zusammen mit anderen Kindern besuchte sie den Geheimunterricht - darunter auch den Zeichenunterricht bei der ebenfalls in Theresienstadt inhaftierten Künstlerin Friedl Dicker-Brandeis. Während ihrer Internierung schrieb sie ein Tagebuch in tschechischer Sprache, das die Grundlage für das Buch »Mein Theresienstädter Tagebuch 1943–1944 und die Aufzeichnungen meines Vaters Otto Pollak« (Hrsg.: Hannelore Brenner, Edition Room 28, Berlin 2014) ist. Helga Pollak wurde im Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert. Bei der Selektion wurde sie einer Gruppe von Frauen zugewiesen, die in Oederan in Sachsen in einer Munitionsfabrik Zwangsarbeit leisten sollten. Mit einem Elendstransport wurde sie Ende April 1945 zurück nach Theresienstadt deportiert, wo sie und ihr Vater die Befreiung erlebten. Nach Zwischenstationen in Bangkok (Thailand) und Addis Abeba (Äthiopien) lebte sie wieder in Wien, wo sie im Jahr 2020 verstarb. Seit 2010 verband Helga und mich eine wachsende Freundschaft. Wir telefonierten regelmäßig, ich besuchte sie zu Hause, und sie lud mich zu ihren offiziellen Feierlichkeiten ein, bei denen sie spät, aber doch, Anerkennung für ihre Arbeit als Zeitzeugin des Holocausts erhielt. Meistens sprachen wir über Tagespolitik und Erinnerungsarbeit. Im Laufe der Jahre wurden wir Freundinnen, und ich fragte mich immer noch, wie Helga sich gefühlt haben muss, als sie 1957 nach Wien zurückkam, in die Stadt, aus der sie 1938 von den Nazis vertrieben worden war. Diese Frage war der Ausgangspunkt für »Zurück in Wien - Körperadaptierungen«, die ich 2015 gemeinsam mit ihr zu entwickeln begann.


BK: Wie gehst Du persönlich und beruflich im Allgemeinen mit diesen Fragen um?

JT: Das Werk nach Helgas Tod zum ersten Mal wieder zu zeigen, und dann ausgerechnet in der Tschechischen Republik, ist für mich mit einer großen Verantwortung verbunden. Ich kann Helga nicht mehr fragen, was sie davon hält, die neun Fotografien dort zu zeigen, wo ihr Vater geboren wurde, wo sie in Brünn und später bei ihrer Großfamilie in Kyjov in Sicherheit gebracht wurde, und von wo aus sie aber trotzdem von den Nazis gefangen genommen und zusammen mit ihrem Vater in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurde. Die Tschechoslowakei war auch der Ort, an dem die meisten von Helgas Verwandten lebten. 63 von ihnen überlebten den Holocaust nicht. Wenn ich Helga, wie bei allen bisherigen Präsentationen von »Zurück in Wien - Körperadaptierungen«, gefragt hätte, ob ich die Ausstellung machen soll, hätte sie sicher gesagt: "Mach es!". Helga Pollak-Kinsky hat sich trotz ihrer schrecklichen Erfahrungen ihr ganzes Leben lang einen offenen Geist und die Liebe zu den Menschen bewahrt. Darin wird sie immer mein Vorbild bleiben und ich bin dankbar, dass ich ihre Freundin werden durfte!


BK: Glaubst Du, dass die Kunst die Macht hat, die Welt, in der wir leben, zu verändern?

JT: Nein. Aber ich hoffe es natürlich trotzdem.